Veröffentlicht in: Oliver Ruf / Lars C. Grabbe (Hg.), Technik-Ästhetik, Zur Theorie techno-ästhetischer Realität, Bielefeld: Transcript 2022, S. 317-333.
Im folgenden Text werde ich versuchen, den weichen Konturen einer aktuellen Dinglichkeit auf die Spur zu kommen. Es handelt sich um eine Dinglichkeit, die zwischen digitalen Infrastrukturen, materiellen Assemblagen und menschlicher Interaktion viele Übergänge und Überlagerungen, ja sogar wechselseitige Transformationen erkennen lässt. Angesichts einer wachsenden digitalen Infrastruktur erscheint es zunächst einmal etwas aus der Zeit gefallen, gerade die Bedeutung des Dinglichen hervorzuheben. Allerdings sind auch immaterielle Datenströme auf greif- oder vielmehr wischbare Schnittstellen sowie deren bildliche Übersetzungen – kurz: auf ästhetisch erfahrbare Dinge – angewiesen. Doch nicht nur in technischen Dingen wie etwa Smartphones ist diese Verbindung zwischen beiden Sphären allgegenwärtig, sondern auch im global vernetzten Internet der Dinge, wo Dinge mit anderen Dingen – gewissermaßen untereinander – kommunizieren. Einerseits möchte ich mich der Frage nach Dinglichkeit vor dem Hintergrund aktueller Interdependenzen zwischen Technik und Ästhetik in der Gegenwartskunst zuwenden, andererseits dies aber auch mit einem Blick auf Dingdiskurse der vergangenen zwei Dekaden tun, die eine grundlegende Neuordnung von Beziehungen zwischen belebten und unbelebten Akteuren – zwischen Dingen und Menschen, aber auch zwischen Dingen und anderen Dingen –, vorgeschlagen haben. Damit stehen nicht nur Relationen zwischen oder zu Dingen auf dem Prüfstand, sondern auch der Dingbegriff selbst. Was einmal als materielle Einheit galt, die etwas Wesenhaftes birgt,[1] wird heute als veränderliche, in unterschiedliche Dimensionen ausgreifende und in Beziehungen aktiv agierende Größe gesehen – als etwas, das grundsätzlich keinen Gegensatz mehr zu menschlichen Akteur·innen darstellt, sondern vielfach mit ihnen kooperiert. Mit dem Fokus auf ein Agieren, Ausdehnen und Kooperieren von Dingen geraten zunehmend ihre vermittelnden – und insbesondere unter den Bedingungen der Digitalisierung: distribuierenden – Eigenschaften in den Blick. Ein auf diese Weise erweiterter Dingbegriff könnte dabei helfen, aktuelle Beziehungen zwischen Technik und Ästhetik sowie zwischen digitaler Infrastruktur und Material besser zu verstehen.
In verschiedenen materiellen und digitalen Formaten sind Oliver Larics Arbeiten für das Publikum erfahr- und teilweise auch verfügbar. Seit 2012 bilden 3D-Scans aus musealen Sammlungen einen Schwerpunkt in Larics Werk: Was einmal in Skulpturendepots, Sammlungspräsentationen oder als Baudenkmal an bestimmten Orten zu finden war, unterzieht der Künstler einem Prozess der Digitalisierung. So entsteht ein fortlaufendes Archiv mit 3D-Daten von historischen Skulpturen, Artefakten und Naturformen auf threedscans.com (seit 2012) – in vielen Fällen in direkter Kooperation mit Sammlungen. Wo ein 3D-Scan von Institutionen abgelehnt wurde, konnte eine 3D-Datei auf der Basis von Fotografien rekonstruiert werden. Alle Daten sind ohne Beschränkungen zugänglich und stehen damit für 3D-Drucke oder Renderings zur Verfügung. Dass von diesen Möglichkeiten auch rege Gebrauch gemacht wird, zeigen einerseits die Downloadstatistiken – eine 3D-Datei der ursprünglich von John Gibson im 19. Jahrhundert geschaffenen Figur Nymph Preparing for the Bath wurde 2018 bereits über eine halbe Million Mal heruntergeladen. Darüber hinaus sind Larics Scans auf der beliebten 3D-Datenplattform turbosquid.com zu finden. 2015 bildeten sie etwa einen Teil der Bühnendekoration für den italienischen Beitrag des Eurovision Song Contests, 2016 wurden sie für Ausstattungsdetails der Netflix-Serie The Roman Empire verwendet.[2] Die unlimitierte, kostenfreie Verbreitung in zahlreichen popkulturellen und privaten Kanälen eröffnet – weit über übliche Besucherzahlen von zeitgenössischen Kunstaustellungen hinaus – neue Möglichkeiten der Distribution und berührt dabei auch sensible rechtliche Fragen zwischen digitaler und materieller Kultur. Parallel begegnet man in Larics Ausstellungen aber auch weiterhin raumgreifenden Formen, deren Umrisse wie konventionelle Skulpturen aussehen. Und viele davon sind verschiedenen Skulpturendepots zu verdanken, die im Zuge von Museumsgründungen des 19. Jahrhunderts zusammengetragen wurden. Wiederholt Laric damit die bildungsbürgerliche Geste jener Zeit, sozusagen als digitale Gipsabguss-Sammlung – oder geht er sogar mit Hilfe potentiell unendlicher Speichermöglichkeiten, permanenter Zugänglichkeit sowie uneingeschränkter Nutzbarkeit noch weit darüber hinaus? Nicht nur die kulturelle Breite des Ausgangsmaterials sowie der Distributionsplattformen, sondern auch der fragmentarische Umgang mit Material und Werken lassen zweifeln, dass es sich hier um die bloße Fortsetzung des kanonischen Bildungsprojekts ›Museum‹ handelt.
Eher erscheinen die ausgedruckten Kunstharzformen in der Schau Panoramafreiheit[3] bei näherer Betrachtung als materiell kaum fassbare Hüllen denn als anwesende Dinge: opak, teilweise auch transparent. Vielleicht gleicht man die Umrisse im Moment der Begegnung auch unwillkürlich mit jenen digitalen Renderings ab, denen man schon einmal auf Larics Website begegnet ist – dort, wo die Dinge gewissermaßen einen digitalen Zwischenhalt im Rekonstruktionsprozess eingelegt haben. Aus unmittelbarer Nähe betrachtet, setzen sich die Figuren Beethoven, Hermanubis und Pan with Bears (alle 2017) aus unterschiedlich gedruckten Kunststoffen zusammen. Es sind Komposit-Formen aus Polyamiden und Epoxidharzen, die – betont durch verschiedene Oberflächenbehandlungen sowie die partielle Zugabe von Pigmenten – in ihrer Materialisierung eher einen fragmentarischen Eindruck erwecken. Allerdings sind die Konturen weitgehend makellos, die Übergänge ohne größere Abweichungen – wenn auch durch sichtbar verschraubte Fugenverbindungen markiert. Trotz technischer Präzision wirken die skulpturalen Umrisse ausgesprochen weich, als würden sie statt Abgrenzung eher Übergänge ins Umfeld ermöglichen – aufgrund einer geradezu ungreifbaren Materialität. Über den zusammengesetzten Charakter des Materials hinaus bilden zudem auch einige der ausgewählten Figuren Hybride zwischen Mensch und Tier – wie etwa jene Gottheiten der griechischen Mythologie, die als behufter Jüngling (Pan) oder männliche Gestalt mit Schakalskopf (Hermanubis) überliefert sind. Begegnet man hier erneut einem Neo-, oder in heutiger Diktion eher: Postinternet-Neoklassizismus? Oder wird »einem hier zum xten Mal eine Debatte über das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit auf[ge]zw[u]ngen«,[4] wie es der Medienwissenschaftler Tilman Baumgärtel in einer Kritik zur Ausstellung im Schinkelpavillon resümiert hat? Mitnichten – die ausgedruckten Mythologien einer südeuropäisch-nordafrikanischen Vergangenheit erscheinen hier eher in einem materiellen Übergangsstadium zwischen musealem Sammlungsobjekt, digitalisiertem 3D-Rendering und variablem Kunststoff-Ausdruck. Wenn man angesichts des letztgenannten Materials überhaupt von einem Ding sprechen will, so ist eine Dinglichkeit keineswegs klar zu verorten – weder lassen sich die Kunststoff-Komposite ausschließlich als Kunstdinge im Sinne von Skulpturen, noch in einem sonstigen Sinne eindeutig als bestimmte Dinge klassifizieren. Man könnte die variablen Ausdrucke von Larics 3D-Datenbank durchaus als Reproduktionen bezeichnen – allerdings wohl kaum im Sinne eines modernen Verständnisses von Industrie und Medien, das in Baumgärtels Anspielung auf Walter Benjamin[5] noch mitklingt. Das etwas genervte Resümee der Ausstellungsbesprechung zielt nicht nur am besonderen Charakter von Larics jeweils verschiedenen – und eben nicht massenhaft reproduzierten – Materialisierungen vorbei, sie übersieht auch deren permanente Vernetzung mit unterschiedlichen Distributionsplattformen.
Eher wirken Larics 3D-Drucke wie diverse Versionen ihrer digitalen Matrix – an verschiedenen Ausstellungen lassen sich auch unterschiedliche Ausführungen einer Form beobachten.[6] Dass materiell Erfahrbares dabei weniger anwesend wirkt als vorgängige dreidimensionale Bildschirmdarstellungen, gehört zu den merkwürdigen Erfahrungen mit einer fluiden, zusammengesetzten Materialität. Auf threedscans.com waren die 3D-Daten noch als animiertes Rendering zu betrachten, das sich in Endlosschleife um die eigene Achse dreht und sich in generischen Oberflächen in unterschiedlichen Weißtönen über die gerenderten Volumen spannt. Während deren scharf gezeichnete Konturen den Eindruck eines präzisen Abbilds wecken, treten die entsprechenden Volumen zwar in dinghafter Fülle auf, wirken aber zugleich beinahe eigenschaftslos – als wäre jedes spezifische Merkmal entfernt worden. Und dennoch: Die digitale Dinglichkeit bleibt hier trotz ihrer generischen Erscheinung als Fülle und Volumen, d.h. als räumliche Präsenz in Erinnerung – ganz im Gegenteil zu ihrer ausgedruckten, tatsächlich materialisierten und in Ausstellungsräumen gezeigten Form. Dort begegnet man dagegen jenen aus unterschiedlichen Kunststoffen zusammengesetzten Figuren, deren fast durchscheinende Körper kaum Raum beanspruchen. Oft kombiniert Laric dabei – wie auch im Schinkel-Pavillon – zwei verschiedene 3D-Drucktechniken: einerseits das SLA-Verfahren (Stereo Lithography Apparatus), wo flüssige Epoxidharze zu einer Form aufgebaut werden und anderseits SLS (Selective Laser Sintering), wo Polyamid-Pulver selektiv verschmolzen wird. In beiden Fällen entsteht aus einer 3D-Datei mit Hilfe eines Laserstrahls schichtweise die gewünschte Form. Am jeweiligen Material und der spezifischen Technologie lässt sich nicht erkennen, wann, wo und von wem genau eine Kunstharz-Form hergestellt worden ist, noch lässt sich ein dinglicher Charakter im Raum eindeutig bestimmen. Doch bedeutet dies, dass das Kunststoff-Material – etwa im Gegensatz zum besonderen Fundstück des modernen Ready-Mades – nun völlig generisch und anonym[7] auftritt? Vielleicht könnte man dies mit Bezug auf die Co-Produzierenden des Kunstwerks tatsächlich sagen: Wo bei Readymades noch (halb-)industrielle Hersteller zu identifizieren waren,[8] haben wir es nun mit einem Produktionsverbund aus bildgebenden Digitalisierungsverfahren, industriell vorproduzierten Rohstoffen, Software-Anwendungen und 3D-Druckern zu tun, der darüber hinaus in einem gewissen Rahmen und mit entsprechenden Geräten von jedem potentiellen User an persönliche Vorlieben angepasst werden kann. Allerdings sind die einzelnen Teile dieses Produktionsverbunds keinesfalls völlig austauschbar – so lassen sich etwa nur bestimmte Kunststoffe in bestimmten 3D-Druckern verarbeiten. Zudem weisen die unterschiedlichen Druckverfahren jeweils spezifische Oberflächeneigenschaften auf, die in ihrer Ausprägung wiederum vom Gerätetyp abhängig sind: eher rau und homogen bei SLS, glatt und mit leicht sichtbarem Schichtaufbau bei SLA.
Auf jeder Ebene dieser eng miteinander verwobenen Prozesse kommt es zu technologischen Übertragungen und Übersetzungen, die in vielen Fällen nicht menschlich gesteuert werden. Wichtige Schritte in diesen Übersetzungsprozessen hängen nicht in erster Linie von menschlicher Arbeit und Intention ab, sondern von der Kommunikation technologischer Schnittstellen untereinander. Das beginnt bei der digitalen Fotografie für die 3D-Rekonstruktion (bzw. einer Fülle fotografischer Daten, sofern ein direkter 3D-Scan nicht möglich ist – etwa bei Max Klingers Beethoven, 1902, aus der Sammlung des Museums für bildende Künste Leipzig),[9] über die spätere Visualisierung der entstandenen Daten für Bildschirme bis hin zur Behandlung des Rohkunststoffs durch einen Laser. Mit jenen Reproduktionen, auf die sich einst Benjamin bezogen hat, lassen sich diese Prozesse kaum vergleichen. Was auf verschiedene Plattformen gleichzeitig verteilt wird, ist einer potentiell unbegrenzten Zahl an Publikum bzw. Usern zugänglich – es handelt es sich jedoch nicht um eine Masse, die hier adressiert werden kann.[10] Im Gegenteil: Trotz großer Reichweite geht es jeweils um unterschiedliche Konfigurationen je nach digitalem Account oder Ausstellungssituation. Und: was entsteht eigentlich mit jener Matrix gespeicherter und öffentlich zugänglicher 3D-Daten, die durch einen optisch-algorithmischen Prozess erzeugt wurden? Handelt es sich dabei um so etwas wie eine digitale Kopie dreidimensionaler Umrisse oder um eine Art neues ›Original‹, auf das sich verschiedene Renderings oder 3-Drucke wiederum beziehen? Vielleicht könnte man bei den 3D-Dateien eher von einem digitalen Quelltext sprechen, der nun seit einigen Jahren eine zentrale Rolle in Larics Werk spielt. Ein Quelltext, der durch Verknüpfung mit einem bekannten Namen des Kunstfeldes durchaus an Konventionen künstlerischer Autorschaft anschließt, aber zugleich auch die radikale Geste einer unbeschränkten öffentlichen Nutzbarkeit wagt.
In unterschiedlichen materiellen und technologischen Konstellationen – etwa von Larics Beethoven – hat man es weniger mit klar bestimmbaren Dingen zu tun, als mit wechselnden Verbünden von Quelltext, Material und Schnittstellen. »Aus […] Geschichte wird das Geschichtete«, wie Paul Feigelfeld in Bezug auf Larics Arbeitsprozess einmal treffend bemerkt hat.[11] Und dennoch spielen Dinge an vielen Stellen nicht nur eine Rolle, sie stehen sogar immer wieder im Zentrum von Larics Präsentationen auf Websites oder in Ausstellungsräumen. Man könnte sagen, dass trotz weicher Konturen und zusammengesetztem Charakter eine dingliche Präsenz – im Sinne einer hervorgehobenen, typischen Erscheinung – dabei vielfach betont wird. Ich denke da besonders an das Format der Skulptur oder freigestellter – d.h. aus ihrer Umgebung digital ›herausgeschnittener‹ – Waren in Online-Shops. Allerdings handelt es sich dabei zugleich um eine dingliche Präsenz, die nicht ohne Verbundenheit auskommt – in technologischem, ästhetischem und sozialem Sinne. Mit diesen schwer fassbaren Dimensionen der Dinglichkeit haben sich u.a. auch jene theoretischen Entwürfe auseinandergesetzt, die in der vergangenen Dekade eine »Handlungsmacht der Dinge«[12] konstatiert haben. Entgrenzende Eigenschaften standen dabei besonders im Fokus. Es scheint, als wären die Konturen der Dinge im Zuge dieser anhaltenden Debatten nicht nur weich geworden, sondern hätten sich fast ununterscheidbar mit einem umgebenden Raum und den darin Handelnden verwoben. Dazu hat maßgeblich die Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) Bruno Latours beigetragen. So wird bei Latour auch nichtmenschlichen »Aktanten« eine aktive Rolle zugesprochen, die in sozialen Konstellationen interagieren.[13] Latours Einfluss auf Diskurse in Kunst-, Design- und Sozialtheorie ist wohl kaum zu überschätzen.[14] In der vergangenen Dekade kam es mit Hilfe der von ihm mit- bzw. weiterentwickelten ANT in allen erwähnten Disziplinen zu einer großangelegten Umkehrung des Blicks: vom ›Stummen Diener‹ hin zum erstaunlichen Potential der Dinge, soziale ebenso wie ästhetische Konstellationen zu beeinflussen. Über eine kritische Revision politischer Emanzipationserzählungen der Moderne hinaus, wird Latours Ansatz vielfach auch als Hoffnungsträger für partizipative Design- und Kunsttheorien rezipiert – im Sinne eines »Parlaments der Dinge«.[15] Abgesehen von dieser emphatischen Begrüßung eines zu realisierenden sozialen Potentials, haben andere Stimmen Latour zwar als wichtigen Impuls für die Überprüfung gängiger Prämissen gewürdigt, das den Dingen zugesprochene Potential jedoch zugleich auch kritisch befragt. So betrachtet Sven Lütticken das Verhältnis zu ausufernden Dingen ebenfalls als zentrale Frage der Gegenwart – stellt aber deren ungebrochene Wirksamkeit ebenso in Frage wie Latours überzeichnete Kritik an modernen Subjekt-Objekt-Dichotomien.[16] So hätten bereits die künstlerischen Arbeiten der Avantgarden, namentlich des Surrealismus, u.a. durch den Einsatz gefundener Ready-Mades jene eindeutigen Abgrenzungen unscharf werden lassen.[17] Dies setzt sich auch in der Kunst der Gegenwart fort – nur sieht Lütticken keinen kategorischen Bruch mit einer Moderne, wie ihn Latour ausgerufen hat. Vielmehr haben wir es schon seit dem Einbruch von Alltagsdingen durch Ready-Mades mit äußerst widersprüchlichen dinglichen Konstellationen in der Kunst zu tun. Dabei stehen jene Alltagsdinge nicht nur in einer merkwürdigen materiellen wie zeitlichen Distanz zur Lebenswelt, aus der sie stammen.[18] Sie werden im Ausstellungsmoment zugleich auch exemplarisch als Dinge gezeigt, die weniger für etwas Bestimmtes stehen, als dass sie vielmehr eine schwer fassbare Dinglichkeit materialisieren: etwas bereits Vergangenes, Zukünftiges, oder etwas Unvorstellbares, Unsagbares. Es geht hier weniger um eine verlebendigende Animation von Material, sondern darum, nichtmenschlichen Protagonisten grundsätzlich die Möglichkeit einzuräumen, wirksam zu sein. Damit wird auch der Versuch unternommen, eine (zumindest aus westlicher Sicht) gewohnte Perspektive der Wahrnehmung gleichsam umzukehren: vom Ding, vom Material her zu denken. Oder wenigstens die Vorstellung aufzugeben, dass sinnliche Wahrnehmung der für Menschen einzig vorstellbare Zugang zur Welt wäre. Dies erschließt gerade in der Frage nach den Dingen neue Wege – nicht ohne eine gewisse Paradoxie: dass Menschen versuchen, eine Perspektive des Nichtmenschlichen zu denken.[19]
Ein erweiterter Dingbegriff könnte darüber hinaus nicht nur Perspektivwechsel im Umgang mit Material und Technologie, sondern auch Brückenschläge zwischen technologischen und ästhetischen Dimensionen ermöglichen – gerade weil kategorische Trennungen zwischen beiden Dimensionen im menschlichen Zugang zu und einer Interaktion mit Dingen weitgehend obsolet geworden sind. Sich überlagernde optische Verfahren, algorithmische Verknüpfungen sowie parallele digitale und materielle Distributionsplattformen werfen einerseits die Frage auf, was hier eigentlich von wem in menschlich-technischen Verbünden produziert wird (etwa ein geformtes Material, ein Algorithmus, eine Bildschirmdarstellung), aber auch, auf welche Weise man diese miteinander verknüpften Technologien überhaupt ästhetisch erfährt. Die singuläre Analyse ›einer‹ bestimmten Erfahrung – etwa des Ausstellungsrundgangs durch den Skulpturenparcours im Berliner Schinkelpavillon oder meiner Scroll-Bewegungen über die Renderings auf threedscans.com – hilft hierbei allerdings nicht so viel weiter. Trotz gewisser Unschärfen und Fragezeichen, die die Begegnungen im Detail aufwerfen, ist man doch immer noch wie gewohnt in einer Ausstellung unterwegs, oder surft wie an vielen anderen Tagen über die Bildschirmdarstellung einer Website. Die interessanteren Ansätze für mögliche Antworten lassen sich vielleicht aus einer Sicht auf die vorgestellten Arbeiten gewinnen, die die unterschiedlichen menschlich-technischen Konstellationen in ihrer Verknüpfung berücksichtigt. Es ist auch davon auszugehen, dass dies eher einem aktuellen Umgang mit Dingen entspricht als eine isolierte Betrachtung einzelner Begegnungen. Nicht zuletzt durch die ständige und unmittelbare Verfügbarkeit von Smartphones und mobilem Internet lässt sich etwa während eines Ausstellungsrundgangs noch einmal das Rendering der Ausgangsdatei auf threedscans.com in Augenschein nehmen und vielleicht auch mit den von anderen Usern selbstständig bearbeiteten Versionen abgleichen, die wiederum eigene Bilddarstellungen hervorgebracht haben. Wenn ich hier von ästhetischer Erfahrung spreche, so ist damit also nicht eine singuläre Erfahrung, sondern eher eine Konstellation unterschiedlicher Erfahrungen gemeint – eine Konstellation, wo Materialität eng mit den Schnittstellen digitaler Infrastrukturen verknüpft ist.
Benjamin Bratton hat für die Gleichzeitigkeit dieser Konstellationen das Modell eines »Stacks« – eines Stapels aus unterschiedlichen, miteinander verbundenen Plattformen – entwickelt.[20] Obwohl sich The Stack vor allem mit Souveränitätsfragen einer global vernetzten und digitalisierten Welt auseinandersetzt, könnte man den Text auch als Beitrag zum aktuellen Verhältnis von Technologie und Ästhetik verstehen. Und dies würde auch den durch die ANT erweiterten Dingdiskursen eine neue Wendung verleihen[21] – unter der Bedingung einer »planetary-scale computation«.[22] Die vertikal in einem Stack geschichteten ›Plattformen‹ gelten dabei einerseits als physisch anwesende technologische Infrastruktur, aber auch als Idee sowie als verbindende Software:
These technologies align, layer by layer, into something like a vast, if also incomplete, pervasive if also irregular, software and hardware Stack. To be clear: this figure of The Stack both does and does not exist as such; it is both an idea and a thing; it is a machine that serves as a schema as much as it is a schema of machines.[23]
Jene horizontale Überlagerung von Städten und Clouds, Usern und IP-Adressen, Material und Betriebssystemen, die Benjamin H. Bratton im sogenannten Stack-Modell beschreibt, bilden dabei eine Möglichkeit, (im-)materielle Überlagerungen und Schnittstellen in verschiedenen räumlichen Konstellationen nachzuvollziehen. Dabei werden sechs Ebenen im ›Stapel‹ unterschieden, die untereinander verbunden sind: Erde, Cloud, Stadt, Adresse, Schnittstelle, User. Die »Logik der Plattformen« bildet laut Bratton heute ein »fundamentales Prinzip«[24] – vom Design einer bestimmten Schnittstelle, über einen konkreten geografischen Ort bis hin zu ökonomischen und politischen Beziehungen. Jene fortwährenden Adressierungs- und Multiplikationsprozesse, die zur Vernetzung der Plattformen untereinander beitragen, erinnern nicht von ungefähr an Gilles Deleuze`s rhizomatisch verknüpfte Plateaus, die er zu Beginn der 1980er Jahre gemeinsam mit Félix Guattari als Alternativentwurf zu hierarchisch organisierten kapitalistischen Industriegesellschaften entwickelt hat.[25] Bratton erwähnt Deleuze an einigen Stellen ausdrücklich – wenn auch vor allem mit Blick auf dessen später publizierten Ausblick auf zukünftige, computergestützt operierende »Kontrollgesellschaften«.[26] Diese Vision, in denen gesellschaftliche Disziplinierungsinstitutionen wie Schule oder Fabrik zunehmend von flexiblen, computergestützten Maßnahmen abgelöst werden,[27] ist zu Beginn der 1990er Jahre noch eine Projektion in die Zukunft. Angesichts der dezentralen, von Bratton heute beschriebenen Formen von Souveränität und Kontrolle – über verschiedene Plattformen des Stack hinweg –, könnte man zunächst einen direkten Anschluss an Deleuzes Prophezeiungen vermuten. Allerdings legt Bratton mit seinem Fokus auf technologische Architekturen im Zusammenspiel mit geografischen Bedingungen, einer Art »cybernetic landscape«[28], hier eher den Finger auf einen blinden Fleck. Ausgehend von einer Fotografie, die den französischen Poststrukturalisten während eines USA-Aufenthalts in den 1970er Jahren am kalifornischen Strand von Big Sur zeigt, wird Deleuze als vertieft in die Kontemplation von Sand und Wellenformen beschrieben, während in Palo Alto die ersten Intel-Computerprozessoren in Plattform-Technik zusammengesetzt werden.[29] Übrigens ist auch das Computer-Betriebssystem, das mir die Arbeit an diesem Text ermöglicht, nach jenem kalifornischen Küstenstreifen benannt: Big Sur.[30] Das Material Sand, das – laut Brattons spekulativer Anekdote – Deleuze möglicherweise mit seiner instabilen Dynamik und Kontingenz fasziniert haben mag, bildet in seiner industriellen Form (Quartzsand oder englisch: silica sand) eine Voraussetzung für die Herstellung mikroelektronischer Technologie – und sollte nicht zuletzt Synonym für einen ganzen Industriezweig, das Silicon Valley, werden. Bratton lenkt den Blick also auf das, was – vom Strand von Big Sur aus geografisch gesehen – ungefähr zur gleichen Zeit hinter Deleuzes Rücken passiert ist: die Produktion neuer Infrastrukturen, die heute ein alltägliches Verhältnis von Technik und Ästhetik prägen.
Dinglichkeit kommt zwar auch hier im Zusammenwirken unterschiedlicher materieller und immaterieller Faktoren zustande, allerdings laut Bratton auf ausgesprochen »aggressive« Weise – etwa durch Schnittstellen, die permanente Rückkopplungen einfordern, auf Gesten reagieren oder selbst Gesten im digitalen Raum generieren.[31] Im Gegensatz zu Deleuzes rhizomatischem Gegenentwurf, aber auch zu Bruno Latours Konzept einer Versammlung mehr oder weniger gleichwertiger Aktanten, fehlt bei Bratton jener Optimismus, der große Hoffnungen auf eine neue Sozialität mit Hilfe der Dinge genährt hat. Jene aggressive Weise, von der dagegen die Rede ist, geht zwar ebenfalls in Richtung des Latourschen Perspektivwechsels – nämlich von den Dingen aus zu denken –, fügt aber eine klare Tendenz hinzu. Statt von einer grundsätzlichen Offenheit in sozialen Netzwerken, geht Bratton bei Beziehungen mit digitalen Technologien von einem gerichteten Charakter aus – ein Charakter, der mit einer entsprechenden Programmierung auf bestimmte Interaktionen, Expansionen, Distributionen oder Rekombinationen hin angelegt, d.h. gerichtet ist. Darin liegt sicher auch die spezifisch technologische Pointe von Brattons Argument im Vergleich zur ANT – während Latours Aktanten betont unspezifisch bleiben, um ein möglichst großes Feld möglicher Einflüsse zu erfassen. Doch in welchen dinglichen Konstellationen begegnet man eigentlich dieser besonders »aggressiven Art, […] Relationen zu entfalten«[32] – in technologischer und ästhetischer Hinsicht?
An dieser Stelle möchte ich noch einmal auf das erwähnte Smartphone zurückkommen, mit dem man vielleicht in der Ausstellung von Oliver Laric im Berliner Schinkel-Pavillon unterwegs ist. Verstaut in einer körpernahen Tasche, versichern sich die Hände in kurzen Intervallen unwillkürlich seiner Anwesenheit. Auch wenn man zu jenen gehört, die Gerätetöne in Ausstellungsräumen lautlos eingestellt haben, künden gelegentliche Vibrationen vom Eintreffen aktueller Mitteilungen. Es liegt nahe, jetzt nachzuschauen, was das Gerät meldet. Oft ist es mit einem kurzen Blick auf den Sperrbildschirm nicht getan. Man entsperrt das Smartphone mit einem Fingerabdruck und bedient in Folge nicht nur den sensiblen Bildschirm, sondern darüber hinaus auch die zuvor physisch spürbare Aufforderung, auf Nachrichten mit Aufmerksamkeit oder sogar einer gezielten Erwiderung zu reagieren. Parallel führt das Gerät auf technologischer Ebene eine Vielzahl von Operationen aus – selbsttätig, d.h. ohne weitere menschliche Interaktion. Dazu zählen einerseits abgleichende Aktivitäten mit einem verbundenen Daten- sowie Mobilfunknetz, oder auch mit entfernten Servern – etwa durch Anwendungen, die im Hintergrund aktiv sind –, oder auch durch eigenständige sensorische Funktionen wie Ortung, räumliche Lage, Luftdruck, Umgebungslicht etc. Wahrnehmung ist im Zusammenwirken mit digitalen Infrastrukturen nicht mehr den menschlichen Akteur·innen vorbehalten[33], ganz im Gegenteil: Oft scheinen viele Mitmenschen den technologischen Schnittstellen und deren sensorischen Fähigkeiten heute mehr zu vertrauen als den körpereigenen Sinnen, insbesondere was die räumliche Orientierung betrifft. Eine besonders »aggressive Art, […] Relationen zu entfalten« zeigt sich hier in zwei Richtungen: zum einen im selbsttätigen Generieren sowie dem Austausch von Daten in potentiell unlimitiertem Umfang, zum anderen in den ständigen Aufforderungen einer Schnittstelle. Technologische und ästhetische Aspekte sind hier nicht nur untrennbar miteinander verknüpft, sie überlagern sich auch. Dabei vergrößert Technologie nicht nur unseren Handlungsspielraum, sondern wird selbst sensorisch empfindsam. In ästhetischer Hinsicht reagiert man nicht nur auf Bildschirm, Geräusche, oder Bewegungen eines Smartphones, sondern auch auf dessen vermittelte Wahrnehmungen.
In diesen Konstellationen sorgen u.a. menschliche Aktivitäten für einen konstanten Datenzufluss bzw. für das Generieren neuer Daten. Und dies erschöpft sich keineswegs im mehr oder weniger unbewussten Aufzeichnen von Tätigkeiten, sondern wird auch durch bewusste Entscheidungen – etwa dem gezielten Aufruf bestimmter Webseiteninhalte oder bestimmter Kamera-Aufnahmen – ergänzt. Nimmt man während des Ausstellungsrundgangs im Schinkelpavillon ein Smartphone zur Hand, um einzelne 3D-Modellierungen von Beethoven oder Hermanubis auf threedscans.com nachzuschlagen und zwischendurch selbst ein paar Fotos aufzunehmen, werden nicht nur neue Daten erzeugt, sondern auch zahlreiche Verknüpfungen zwischen materiellen und immateriellen Räumen hergestellt. Und dies geschieht nicht nur auf technologischer Ebene; auch aus ästhetischer Sicht überlagert sich die Wahrnehmung von Material mit digitaler Sensorik sowie parallelem Medienkonsum. Aus diesen verknüpften Ebenen – und im Sinne Brattons: Plattformen – setzt sich auch jener ästhetische Eindruck zusammen, den man etwa in der Schau von Oliver Laric im Berliner Schinkelpavillon gewinnen konnte. So überlagern sich die opaken Umrisse von Beethoven, Hermanubis und Pan with Bears mit Visualisierungen ihrer digitalen Vorlagen, ebenso wie mit Informationen zu Datum und Ort der Digitalisierung. Und bewegt man die Fingerspitzen auf threedscans.com noch etwas weiter durch Detailinformationen zu den einzelnen Digitalisaten, so gelangt man auch auf die Instagram-Kanäle anderer Benutzer. »fwiedel«, der als Frederik Wiedel aus Malmö einen Kanal betreibt, hat Hermanubis mit einem Schwert und einer Krone aus Ballonwürsten inszeniert, während Siddhant Jaokar aka »Hyperthalamuscorp« der Gottheit eine Art Traube aus leuchtend pastellfarbenen Kugeln in die aus brüchigem Marmor gerenderte Hand gibt. Doch spielt es letztlich überhaupt so eine entscheidende Rolle, welche Wahrnehmungsebenen sich aus der Sicht eines Ausstellungspublikums hier überlagern? Oder müsste man mit Latour – und noch viel mehr mit Bratton – nicht den Blick von digitalen Infrastrukturen aus auf ein Publikum richten? »In the hype, it`s easy to forget that the Internet of Things is also an Internet for Things (or for any addressable entity, however immaterial).«[35]
In digitalen Netzwerken interagieren nicht nur Dinge mit Dingen; alles was von ihrer Sensorik wahrgenommen werden kann, geschieht gewissermaßen auch für diese Dinge, so Bratton. Bei all den attraktiven Visualisierungen und Bildschirmdarstellungen, die auf menschliche Aufmerksamkeit zielen, vergisst man leicht, dass der größte Teil des Internet-Datenverkehrs ohne direkte menschliche Interventionen – von Schnittstelle zu Schnittstelle – generiert bzw. modifiziert wird.[36] Versucht man vor diesem Hintergrund noch einmal, eine Perspektive der technologischen Sensorik – und damit letztlich auch der technologischen Ästhetik – zu denken, so wird man darin keineswegs als Subjekt, sondern als User adressiert. Und dies gilt in beide Blickrichtungen: Nur als User hat man direkten Zugang zu bestimmten Ebenen des Stack, nur als User kann man von diesen Ebenen adressiert werden. Man interagiert im Stack also in verschiedenen User–Rollen und wird von einzelnen Ebenen »in Bewegung versetzt«.[37]
Blickt man von diesen Überlegungen noch einmal auf Larics Arbeit zurück, denkt man nicht nur an weiche Konturen, sondern vor allem an ihre Verteilung über unterschiedliche Plattformen hinweg. Wenn man angesichts der Parallelität skulpturaler Figuren in einer Ausstellung und den verfügbaren 3D-Daten für interessierte User von einer Dinglichkeit sprechen will, so formiert sich diese jeweils temporär auf andere Weise. Es handelt sich um eine Dinglichkeit, die nicht etwas bestimmtes, typisches zur Darstellung bringt, sondern aus zusammengesetzten und miteinander kooperierenden Teilen besteht. Und falls etwas in Larics dinglichen Konstellationen thematisch wird, so ist es die Übersetzung zwischen Teilen, oder genauer: zwischen digitaler Rekombination und materieller Erscheinung. Darin kommt auch eine Vielfalt möglicher Formierungen – etwa als Datei, 3D-Druck oder Rendering – vor, die zwar schier unbegrenzt rekombinierbar sind, aber keineswegs eine uniforme Masse bilden. Allerdings ist die gesamte Bandbreite dieser Vielfalt nur für User zugänglich. Und als User ist man bereits Teil dinglicher Konstellationen, die gleichzeitig in unterschiedliche Produktions- und Distributionsebenen – oder mit Bratton: Plattformen – zwischen Material und Digitalem eingebunden sind. Wo sich dazwischen Dinglichkeit ausbreitet, trifft man keineswegs auf organisches Wachstum – etwa in rhizomatischer Form –, sondern vielfach auf hierarchisch verbundene Plattformen, die zudem mit einer gewissen Aggressivität adressieren und adressiert werden. In der Begegnung mit Larics aufgeschichteten Kunststoffen erlangen Kaskaden algorithmischer Quelltexte durchaus eine dingliche Präsenz, zugleich tritt dabei aber auch eine Undurchschaubarkeit in Erscheinung – zumindest aus menschlicher Sicht. Umgekehrt könnte Larics 3D-Datenmatrix auch eine Perspektive digitaler Sensorik auf jene Dinge eröffnen, denen Menschen durch museale Sammlungen oder Denkmalschutz einmal ästhetischen Wert zugestanden haben.
[1] Etwa bei Heidegger: Vgl. Martin Heidegger: »A. Die Analyse der Umweltlichkeit und Weltlichkeit überhaupt. § 15. Das Sein des in der Umwelt begegnenden Seienden«. In: Sein und Zeit. Tübingen: Max Niemeyer, 1967 [1927], S. 66–71. Die ontologische Bestimmung eines Dings, das etwas ›thematisches‹ zum Vorschein bringt, hat Heidegger in später erschienenen Schriften zur Dingfrage (Die Frage nach dem Ding, 1935/36) sowie zur Technik (Die Frage nach der Technik, 1953) allerdings zunehmend selbst in Frage gestellt – nicht zuletzt aufgrund einer neuen Bewertung relationaler Faktoren und technischer Entwicklungen. Vgl. Erich Hörl: »Die technologische Bedingung. Zur Einführung«. In: Ders. (Hg.): Die technologische Bedingung. Beiträge zur Beschreibung der technischen Welt. Berlin: Suhrkamp, 2011, S. 7–53.
[2] Justin Hoffmann: »Oliver Laric und sein 3D-Scan-Archiv«. In: Camera Austria, 144 (2018), S. 11–18, hier S. 12.
[3] Schinkel-Pavillon, Berlin, 2.12.2017–28.1.2018.
[4] Tilman Baumgärtel: »Kunst im digitalen Remix«. In: taz, Berlin, 13.1.2018, S. 48.
[5] Im Übrigen zeigt Walter Benjamins Text nicht nur die Gefahren für Kunst im »Zeitalter ihrer technischen Reproduzierbarkeit« – vor allem durch Fotografie und Film im Dienst totalitärer Systeme – auf, sondern würdigt auch das Potential dieser technologischen Möglichkeiten für die Entwicklung eines neuen Kunstbegriffs. Vgl. Walter Benjamin: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 2001, S. 7.
[6] Oliver Larics Beethoven wurde 2016 in anderer 3D-Drucktechnik und Materialisierung im Rahmen der Einzelausstellung Photoplastik vom 22.4.–19.6.2016 in der Wiener Secession gezeigt.
[7] Unter diesem Begriff hat die Kuratorin Susanne Pfeffer die Arbeiten einer gleichnamigen Gruppenausstellung (u.a. mit Beteiligung von Oliver Laric, Museum Fridericianum Kassel, 29.9.2013–23.2.2014) versammelt: Susanne Pfeffer (Hg.): Speculations on Anonymous Materials. Ausst.-Kat. Museum Fridericianum Kassel. London: Koenig Books, 2018.
[8] Vgl. Tobias Vogt: »The Making of the Ready-Made«. In: Texte zur Kunst, 85 (2012), S. 38–57.
[9] Paul Klimpel: »Zum Werk von Oliver Laric gehört das mithilfe moderner Technik hergestellte Abbild der Beethoven-Skulptur von Max Klinger«. In: Oliver Laric. Photoplastik. Ausst.-Kat. Secession Wien.Wien u. Berlin: Secession u. Revolver, 2016, S. 160–162.
[10] Digitale Formen von Sozialität bestimmt Byung-Chul Han im kategorischen Gegensatz zur modernen »Masse« als »Schwarm« von Profilen – mit der Schlussfolgerung, dass so etwas wie eine ›Masse‹ im digitalen Zeitalter nicht mehr adressiert werden kann. Byung-Chul Han: Im Schwarm des Digitalen. Berlin: Matthes&Seitz, 2013, S. 19.
[11] Paul Feigelfeld: »Oliver Laric: Versions«. In: De:Bug, 150 (2011).
[12] Antonia von Schöning: »I. Handlungsmacht der Dinge, Einführung«. In: Friedrich Balke, Maria Muhle u. Antonia von Schöning (Hg.): Die Wiederkehr der Dinge. Berlin: Kadmos, 2012, S. 19f.
[13] Bruno Latour: Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft. Berlin: Suhrkamp, 2010.
[14] Dies gilt etwa für Theorien zur Gegenwartskunst in Bezug auf Relationale Ästhetik (Ina Blom: On the Style Site. Art, Sociality and Media Culture. Berlin/New York: Sternberg, 2007) sowie zirkulierende Bildströme im digitalen Raum (David Joselit: Nach Kunst. Berlin: August, 2016), aber auch für Designtheorien des Social Design (Claudia Banz (Hg.): Social Design. Gestalten für die Transformation der Gesellschaft. Bielefeld: Transcript, 2016; Friedrich von Borries: Weltentwerfen. Berlin: Suhrkamp 2016), oder für Brückenschläge aus der Sozialtheorie in Richtung Ästhetik (Sophia Prinz, Hanna Katharina Göbel (Hg.): Die Sinnlichkeit des Sozialen. Bielefeld: Transcript, 2015; Andreas Reckwitz: Kreativität und soziale Praxis. Bielefeld: Transcript, 2016).
[15] Bruno Latour, »From Realpolitik to Dingpolitik or How to Make Things Public«. In: Bruno Latour/Peter Weibel (Hg.): Making Things Public: Atmospheres of Democracy. Cambridge Mass.: The MIT Press, 2005, S. 4–33, hier S. 24.
[16] Sven Lütticken: »Art and Thingness, Part One: Breton’s Ball and Duchamp’s Carrot«. In: e-flux, 13 (2010).
[17] Ebd.
[18] Vgl. Theodor W. Adorno: »Rückblickend auf den Surrealismus«. In: Karlheinz Barck (Hg.): Surrealismus in Paris 1919-1939. Ein Lesebuch. Leipzig: Philipp Reclam jun., 1986, S. 693–698.
[19] Einen – radikalisierten – Anschluss an diese Perspektive haben u.a. Positionen des Spekulativen Materialismus, z.B. Graham Harman, gesucht. Vgl. Graham Harman: Prince of Networks: Bruno Latour and Metaphysics. Melbourne: re.press, 2009.
[20] Benjamin H. Bratton: The Stack: On Software and Sovereignty. Cambridge Mass. u. London: The MIT Press, 2015.
[21] Bratton bezieht sich in diversen Stellen ausdrücklich auf Latour und die ANT, insbesondere jedoch in folgendem Kapitel: Benjamin H. Bratton: »User Layer«. In: The Stack: On Software and Souvereignity. Cambridge Mass. u. London: The MIT Press, 2015, S. 251–289.
[22] Bratton: The Stack: On Software and Sovereignty, S. 3.
[23] Ebd., S. 5.
[24] Ebd., S. 4. Übers. [BM].
[25] Gilles Deleuze u. Félix Guattari: Tausend Plateaus. Kapitalismus und Schizophrenie. Berlin: Merve, 1992.
[26] Bratton: The Stack: On Software and Sovereignty, S. 158.
[27] Gilles Deleuze: »Postskriptum über die Kontrollgesellschaften«. In: Unterhandlungen 1972-1990. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1993, S. 254–262.
[28] Bratton: The Stack: On Software and Sovereignty, S. 54.
[29] Ebd., S. 76f.
[30] 2020 hat Apple das MacOS-Betriebssystem 11 unter dem Namen Big Sur eingeführt.
[31] Bratton: The Stack: On Software and Sovereignty, S. 227.
[32] Ebd. Übers. [BM].
[33] Ebd., S. 219.
[34] Ebd., S. 227. Übers. [BM].
[35] Ebd., S. 203. Herv. i. Orig.
[36] Ebd.
[37] Ebd., S. 256. Übers. [BM].