Performance Project Liste 17
Seit 2005 bietet das Performance-Projekt der „LISTE – The young art fair“ jungen künstlerischen Positionen eine Bühne und hat sich neben den Galeriepräsentationen der Kunstmesse als Plattform für neue Entwicklungen in diesem Feld etabliert. Ob als körperbetonte Bühneninszenierung, Eingriff in alltägliche Handlungsabläufe oder Vortragssituation – performative Formate erleben in der gegenwärtigen künstlerischen Praxis eine Renaissance. Gegenüber anderen Ausstellungssituationen ist eine Kunstmesse hauptsächlich ein Ereignis, ganz auf Gespräche und (Ver-)Handlungen ausgerichtet – sozusagen ein performatives Format, das für eine Woche andauert. Die künstlerischen Beiträge des 8. Performance-Projektes beschäftigen sich vor allem mit der Ästhetik des symbolischen und ökonomischen Austauschs.
Oft beginnen die Arbeiten von Matteo Rubbi mit einer gemeinschaftlichen Erfahrung, die meistens auch Teil von Rubbis Ausstellungskonzepten ist. Für das diesjährige Performance Projekt hat der Künstler zwei War Games aus historischen Entwürfen entwickelt, zu denen Messebesucher und -teilnehmer eingeladen sind. Der Prozess des Spielens bezieht jedoch auch einen Teil der Gestaltung ebenso wie das gemeinsame Aushandeln von Regeln mit ein. Die utopischen Vorstellungsräume der Spiele verbinden die abstrakt- geometrischen Zeichen auf dem Spielbrett mit grösseren kulturellen Erzählungen von Verhalten und fiktionalen Ereignissen.
“I really want this. I really want to seduce you“ gab Jasiek Mischke gegenüber seinem Publikum im Londoner Kunstraum 176 zu. “Vortrag” ist wohl nicht ganz der richtige Ausdruck für das, was passiert, wenn Mischke zu einem Publikum spricht. Eher nimmt die Rede Formen einer vorgestellten Konversation mit den Leuten an, die Mischke in Kunsträumen antrifft. Der Künstler spricht das Publikum direkt an und stellt permanent in Frage, was im Moment vorher gerade gesagt wurde. Dabei erzählt das Liste-Projekt Books are Heavy keine fiktionale Geschichte, sondern reflektiert vielmehr seine eigene Situation in diesem Moment: Von einer Arbeit, die sich im Sprechen vor ihrem Publikum entwickelt.
Ein Text aus der politischen Geschichte der Warteck-Umgebung wird mit Hilfe einer Transkriptions-Methode von John Cage in eine musikalische Partitur übersetzt. Ausgehend von diesem Skript, transformiert Elena Bajo die Tonfolgen in Zusammenarbeit mit Schauspielerinnen, Tänzerinnen und Musikerinnen in eine Choreographie von Körperbewegungen. An der Liste erkundet Bajos Performance The Absence of Work die Struktur des ehemaligen Industriestandorts, der nun für zeitgenössische Kultur genutzt wird. Auf diese Weise übersetzt die Künstlerin ortsspezifische Traditionen der Institutionellen Kritik aus den 1970er Jahren in einen gemeinschaftlich erfahrbaren Raum der Gegenwart. Performerinnen: Ona Dri Soa, Christine Lehmann, Ida Sons, Claudia Kobler
In den vergangenen Jahren hat Christian Ratti dem Kunstbetrieb viele Exkursionen zu alternativen Schönheitsbegriffen z.B. von Denkmal- und Naturschutz angeboten. Rattis Liste-Beitrag Garderobenmarken geht dagegen von zurückgelassenen Dingen aus, die der Künstler seit 2006 hauptsächlich an Garderoben von Kunstinstitutionen deponiert und nie wieder abgeholt hat. Zusätzlich waren die Liste 17-Galerien eingeladen, seinem Beispiel zu folgen. Die fingergrossen Marken ersetzen die übliche Ausstattung der Liste-Garderobe und zirkulieren als internationale Sammlung von Platzhaltern in den Taschen von Teilnehmern und Besuchern.
Es kann sein, das man zwischen Art Basel und Liste Filip Gilissens Agenten begegnet, der mit goldenen Kugelschreibern und Schlüsselanhängern eine Leuchtschrift im Stadtraum ankündigt, die für eine Nacht den Titel der Arbeit Its All Downhill from Here On über einer Baustelle in der Basler Innenstadt schweben lässt. Der glamouröse Look von Gilissen`s Arbeit weckt ganz grosse Erwartungen, während die sprachliche Bedeutung der Leuchtschrift allerdings widersprüchlich bleibt. Performer: Garrett Nelson
In Filmen und Musikperformances führt Quynh Dong die mediale Re-Produktion von Emotionen auf. In unterschiedliche Sprachen und verschiedene kulturelle Hintergründe übersetzt, erzählen ihre Songs von unerfülltem Begehren nach Liebe und Leidenschaft. Die Band Drunger und Drüber nimmt einen berndeutschen Ausdruck als Ausgangspunkt für ihre Texte, die ursprünglich aus dem Vietnamesischen entlehnt sind und für den Liste-Auftritt im Berner Idiom neu komponiert wurden. Wenn Dong mit ihrer Band auf der Strasse vor der Messe auftritt und der globalisierten Kunstwelt in einem lokalen Dialekt begegnet, erscheint die Gruppe als transzendente Figur zwischen Exotismus und lokaler Identität. Gesang: Tham Le, Quynh Dong, Komposition und Keyboards: Pascal Nater, Gitarre: Niklaus Erismann
Rubén Grilo arbeitet mit der aus Wikipedia, Filmplattformen oder Blogs bekannten Ästhetik des Infotainments. Während der Liste wird ein Experiment mit der enormen Informationsmenge stattfinden, die dem Publikum von der Messe präsentiert wird: Soft Drives. Der Künstler lädt dafür einen Gedächtnisspezialisten ein, der soviel Informationen über die Liste 17 speichern wird wie möglich. Die Performance (und ihre Ankündigung) kann als kaum sichtbare Übung verstanden werden, einen Informationsfluss zu verkörpern. Auf Anfrage steht der Gedächtnisspezialist vom 16.-17. Juni 2012 für eine limitierte Anzahl Gesprächstermine zur Verfügung.
Rebecca Stephany thematisiert die PR-Sprache des Kunstbetriebes im Bezug auf gesellschaftliche Utopien in Performances, Publikationen und Installationen. Auf dem Liste-Gelände betreibt Stephany täglich einen temporären Stand, Doppelwörter: Bilder, Bedeutung, Austreibung, Produktion. Die Szenerie kombiniert den Look zeitgenössischer Pop-Up-Werbung mit Vorführungen von bedrohten Handwerkstechniken in lokalen Heimatmuseen: Besucher können hier Reproduktionen aller Arbeiten der Künstlerin von 2006 bis 2012 – auf wetterfesteste Plane gedruckt – käuflich erwerben. Zwei junge Frauen in historischer Arbeiterinnentracht montieren die Portfolio-Ausschnitte vor Ort auf handgemachte Keilrahmen. Arbeiterinnen: Rebecca Stephany und Isfrid Angard Siljehaug
Programmübersicht:
- Durchgehend während der Liste-Öffnungszeiten: Christian Ratti
- Dienstag 12. – Sonntag, 17. Juni: Rebecca Stephany, ab 14 Uhr
- Montag, 11. Juni: Elena Bajo, 16 Uhr / Quynh Dong, 18 und 20 Uhr
- Dienstag, 12. Juni: Filip Gilissen, 21:30 Uhr, Baustelle Malzgasse/Lautengartenstrasse, 4052 Basel
- Mittwoch, 13. Juni: Elena Bajo, 19 Uhr
- Donnerstag, 14. Juni: Jasiek Mischke, 15 und 18 Uhr
- Freitag, 15. Juni: Matteo Rubbi, ab 13 Uhr
- Samstag, 16. Juni – Sonntag 17. Juni: Rubén Grilo, ab 15 Uhr
Performances von Rubén Grilo, Quynh Dong, Elena Bajo, Matteo Rubbi, Jasiek Mischke, Christian Ratti, Filip Gilissen, Rebecca Stephany
Veranstaltungsort: Liste 17-The young art fair, Burgweg 15, 4058 Basel.