Alexander Marzahn, in: BAZkulturmagazin, Beilage Basler Zeitung (BAZ), Basel, 7.8.2008
Das Kunsthaus Baselland untersucht die Macht der Kunst über Raum und Zeit
„The Eternal Flame – über das Versprechen der Ewigkeit“ ist ein Versuch, mittels Kunst an die Grenzen unserer raumzeitlichen Erfahrung vorzustossen.
Der Anker ist gelichtet, die Seile sind gekappt. Schon treibt die Kunst hinaus aufs offene Meer der Zeichen, der Kapitän hat den Kompass über Bord geworfen und will von GPS erst recht nichts wissen. Wo finden wir Halt? Zum Glück gibt es den Betrachter, der diesen Werken, die sich ins Undenkbare stürzen, ein geistiges Sprungtuch ausbreitet. Und plötzlich fällt ganz weich, was sich kühn und ungestüm auf die Reise ins Ungewisse gemacht hat. „The Eternal Flame“, die neue Ausstellung im Kunsthaus Baselland, will nichts Geringeres als das Unvorstellbarevor Augen führen.
«Über das Versprechen der Ewigkeit» ist die Schau mit 15 Beteiligten untertitelt. Was nicht erfahrbar ist, ist zumindest denkbar, und was gedacht
wird, lässt sich zum Glück übersetzen: Für die Suche nach der Ewigkeit ist die Kunst ein hilfreiches Vehikel. Wohl wissend, dass das Unermessliche nicht leicht zu umzäunen ist, hat das Kuratorenduo Sabine Schaschl und Burkhard Meltzer das Religiöse ausgeklammert – und mit ihm alles Über- und Ausserirdische aus dem Konzept verbannt. Das Numinose und Kuriose bleibt aussen vor; wer mag, darf zwischendurch an Heidegger und Platon denken, wer nicht mag, kommt trotzdem klar: Jeder hat schon mal in den Sternenhimmel geguckt und sicgefragt, was vor dem Anfang war.
Es ist kein Zufall, dass die Malerei nur als Statistin auftritt. Die Abstraktion findet andere Wege, es geht um konzeptuelle Positionen, um Forschung am Objekt. Ein spirituelles Moment schliesst das nicht aus, etwa im Video von Michael Borremans, in dem Männer in weissen Gewändern drei eigenartige Platten über einem Tisch schweben lassen. Eine an die Schlussszene von Kubricks „Space Odyssey“ gemahnende Seance mit überraschender Botschaft: Kunst nimmt nicht vom Raum Besitz, sondern sie schafft ihn im Moment ihrer Entstehung. Tatsächlich sucht die Ausstellung nach dem Ewigen in der Kunst- und findet die Ereignishaftigkeit des Raums und
dessen schöpferisches Potenzial. Oft reichen minimale Mittel, um in diese Zone vorzustossen. So hat Tom Burr vier mit Scharnieren verbundene Bretter im Stil eines aufklappbaren Tisches am Boden aufgestellt und einen abgetretenen Orientteppich darübergelegt – Minimal Art und Objet trouve reichen sich die Hand. Mit ähnlichem Material arbeitet Edit Oderbolz, die ausgesägte Spanplatten hinter Glas zu geometrischen Abstraktionen zusammenfügt: ein Balanceakt zwischen historischer Referenz und überzeitlichem Anspruch.
Ewig ist der Kunst auch die Natur, besonders dort, wo sie in den Himmel wächst: Claudia Wieser verknüpft den Topos des Erhabenen mit den ewigen Gesetzen der Mathematik, wenn sie alte Fotodrucke der Bergwelt mit geometrischen Übermalungen auf den kleinstmöglichen Nenner bringt. Und auch im bewegten Bild schlummert die Ewigkeit: Im Film «Starfield» hat Jordan Wolfson den gleichnamigen Bildschirmschoner auf 16-Millimeter-Film übertragen – der Fluchtpunkt der Sterne ist das Unendliche, die parallelen Flugbahnen kreuzen sich nie. Präzise ist auch das Video von Steve van den Bosch: Er hat Galerien in New York besucht und nur die weissen Wande gefilmt, derweil man im Off geschäftige Stimmen hört. Durch die Wahl des Mediums Film kommt die Zeitlichkeit der ästhetischen Erfahrung ins Spiel. Am Eingang hat Friedrich Kunath einen Ofen platziert, dessen Rohr in absurden Windungen durch den Nebenraum mäandert, als wolle es den Rauch möglichst lang bei sich behalten.
Der junge Brite Damien Roach lässt einen verspiegelten Kubus unbeeindruckt vor dem Abbuild einer Moorleiche drehen. Bei Hagar Schmidhalter fällt ein dürres Blatt in ein herbstliches Stillleben von Caravaggio, als bräuchte es einen Beweis für die konservatorischen Verdienste der Malerei. Und die in Zürich lebende Iranerin Shirana Shahbazi verfolgt mit treffsicheren Fotografien den Weg vom zeitlosen Augenblick (Wüstenlandschaft in den USA), wobei just Letztere der Abstraktion wieder sehr nahe kommt.
Am Ende stehen wir~ wie könnte es anders sein, wieder am Anfang: Vor einem Spiegel von Kris Martin mit der spiegelverkehrten Aufschrift «The End». Was blickt uns von der anderen Seite an? Natürlich wirselbst, und schon hat die Ewigkeit ihr Versprechen gehalten. Und wer sorgt für den Abspann? Wir wählen Ludwig Wittgenstein, der schrieb: «Wenn man unter Ewigkeit nicht unendliche Zeitdauer, sondern Unzeitlichkeit versteht, dann lebt der ewig, der in der Gegenwart lebt. Ein kleiner Trost für die Menschen, ein grosser Satz für die Ewigkeit.