Alois Martin Müller, erschienen in: form 241/2011, S. 110.
Die Publikation , lt’s Not a Garden Table“ ist das Resultat eines Symposiums,
das vor zwei Jahren als Kooperation zwischen dem Institut für Theorie (ith) der Zürcher Hochschule der Künste und dem migros museum für gegenwartskunst stattgefunden hat. Sie verhandelt die Wechselwirkungen
zwischen „Kunst und Design im erweiterten Feld“. Erweitert um „kritische Praktiken“ hat sich einerseits der Designbereich mit Fiona Rabys und Anthony Dunnes ,Critical Design“, das gleichsam selbstkritische Momente ins Objekt selbst einbaut, und erweitert hat sich andererseits der Kunstbereich mit Alex Coles Publikation „ArtDesign“, welche sich mit Positionen im Kunstkontext befasst, die sieh explizit auf Design beziehen.
Von einer Verschmelzung beider Bereiche ist nicht die Rede, sondern davon, wie jede Sphäre die jeweils andere für sich selbst als erkenntnisförderndes und strategisches Potenzial nutzen kann. Der vorliegende Band ist in drei Teile gegliedert: in „Unterscheiden“, in „Teilnehmen“ und in ein „Dazwischen“ unter der Überschrift „Herstellen“. „Herstellen“ besteht aus Interviews mit Designerinnen und Designern (Jurgen Bey, Martino Gamper, Sofia Lage rkvist, Jerszy Seymour, und andere) und Künstlerinnen und Künstlern (darunter Andrea Zittel, Martin Boyce, David Renggli und Florian Slotawa). Zudem ist er reich bebildert; man sieht, wovon die Rede ist.
Wenn Design und Kunst sich unterscheiden, dann muss auch ein Unterschied zwischen einem Kunstwerk und einem „Designwerk“ bestehen. Tido von Oppeln unternimmt diesen Versuch und plädiert dafür, dass analog zum autonomen Status des Kunstwerks auch von einem autonomen Werk des Designs gesprochen werden kann, indem durch die Präsentationsform und durch die Betonung des eigenen Kontexts die Selbstreferentialität des Designs reflektiert und bewusst ,ins Werk“ gesetzt wird. Beispielhaft für diese Strategien sind Installationen von Jasper Morrison, Werke von Jurgen Bey und Martino Gamper, der mit seinen „Vermöbelungsaktionen“, Stuhlcollagen“ und „situationistischen Eventmöbeln“ Design als kritische Praxis betreibt.
Auf der anderen Seite soll „ArtDesign“ eine konstitutive Rolle für die künstlerisehen Praktiken zukommen, welche institutionelle Kritik am System Kunst üben, wie Burkhard Meltzer zeigt. Bei dieser „relationalen“ Kunst steht Design für Lebenspraxis, für die Lebenswelt und mit „designnahen“ Installationen und Objekten werden die Kunstwelt wie die Lebenswelt kritisch befragt. Dazu gehören die messeartigen Innenarchitekturen und Diskussionsmöbel von Liam Gillick, dazu gehõren Leseecken unter anderem von Douglas Gordon und Cafés von Jorge Pardo und Tobias Rehberger sowie all die Alltagssituationen, die Rirkrit Tiravanija thematisiert. Design hat an unserem Leben teil, mit Design teilen wir unser Leben. Wie diese Teilnahme fundamental aussieht, damit befasst sich hier der Philosoph Alexander García Düttmann, und wie wir mit den Dingen verbunden sind, wie Identität mittels Objekten entsteht, wie fraglos Gewohntes entsteht und auch zerfällt, wenn es vom Aufmerksamkeitsstrahl getroffen wird, davon handelt der Text der Psychologinund Ökonomin Monika Kritzmöller.
Im ästhetischen Regime der Künste ist die Kunst insofern Kunst, als sie etwas anderes als Kunst ist. Sie ist immer „ästhetisiert“, das heißt, immer als eine „Lebensform gesetzt“, schreibt der französische Philosoph Jacques Ranciere zur Kunst der Moderne. Kunst soll ausgreifen in die Lebenswelt, formend auf sie einwirken. Kunst soll mehr sein als Kunst. Und Design müsste auch mehr als Design sein, asthetisiert, das heißt lebensformend wirken, und in dieser gegenstrebigen Fügung könnten beide Spären ihre Lebenskunst und Lebensform entfalten.