Rethink the modular entdeckt die Vision des Modularen neu. Dabei werden flexible Netzwerke für Beziehungen entwickelt, die wir zu zeitlichen Abläufen, räumlichen Umgebungen oder anderen Menschen pflegen. Sieben international bekannte Architekten und Designer haben gemeinsam mit den Teilnehmern den USM Master Classes Projekte entwickelt, die sich besonders mit den kommunikativen Aspekten des Modularen auseinandersetzen. Darüber hinaus werden ausgewählte historische Arbeiten aus den 1960er bis 1990er Jahren gezeigt. Vier Kapitel bieten unterschiedliche Perspektiven auf das Thema:
A. RHYTHMUS
Modularität ist nicht nur eine Erfindung, wir finden sie auch überall. Flächen können in Raster, Räume in Figuren oder die Zeit in Rhythmen eingeteilt werden. Auch die Art und Weise, wie wir unsere Umwelt wahrnehmen, ist modular. Modularität steht daher nicht ausschliesslich für technische Konstruktionen, Bauten und Schnittstellen als vielmehr für eine bestimmte menschliche Fähigkeit, die Umgebung wahrzunehmen. So gelingt es uns zum Beispiel, Zeit durch wiederkehrende Geräusche zu erfahren oder räumliche Dimensionen durch die Anwesenheit von Personen intuitiv zu vermessen. Auf diese Weise werden selbst komplexe Strukturen für uns verständlich und handhabbar. Wir teilen die Welt in kleinere Einheiten ein, um sie zu verstehen und zukünftige Entwicklungen berechenbar zu machen. Damit gewinnen wir eine gewisse Sicherheit – trotz aller Veränderungen lassen sich wiederkehrende Rhythmen erkennen.
B. INTERFERENZ
Eine der grössten Herausforderungen des Modularen besteht darin, Schnittstellen sowohl innerhalb eines Systems als auch zu möglichen Anknüpfungspunkten ausserhalb zu finden. Wo Module zusammen gefügt werden, entsteht auch die Frage nach dem Dazwischen – dort, wo Materialien aufeinander treffen, aber ebenfalls zwischen den Wellen oder Kanälen der elektronischen Kommunikation. Jedes Mal, wenn wir unser Smartphone berühren, entsteht eine neue Relation zwischen unserem Körper, einem Gerät und einer Kette von Informationen. Auch elektronische Kommunikation ist dabei nicht immer vorhersehbar – gerade an den Schnittstellen und durch Überlagerungen erfahren wir oft unerwartete Wendungen, die einen meistens ärgern und am jeweiligen Betriebssystem verzweifeln lassen. Diese überraschenden Ereignisse, die eintreten, wenn verschiedene Systeme eine Beziehung eingehen, rufen den offenen und unvorhersehbaren Charakter von Modularität in Erinnerung.
C. STRUKTUR
Module existieren nicht für sich. Durch ihre Schnittstellen verweisen Module immer auf eine grössere Struktur, die aus der Kombination mehrerer Teile entsteht. Modularität ist daher nie abgeschlossen, sondern lässt sich erweitern. So können modulare Strukturen prinzipiell unendlich wachsen – sogar bis über die Grenzen des Vorstellbaren hinaus. Durch ihre Anwendung entstehen Kathedralen, Hochhäuser, ja ganze Städte. In vielen Wohnanlagen der Nachkriegsmoderne ist das modulare Prinzip jedoch auch in Verruf geraten – als Synonym für gleichförmige Umgebungen und soziale Brennpunkte. Dennoch liegt das grosse Potenzial des Modularen in seiner Utopie, wandelbare Netzwerke aufzubauen. Netzwerke, in denen einzelne Module unterschiedlich aussehen können und Veränderungen möglich sind. Rethink the Modular könnte bedeuten, grosse Strukturen mit grösstmöglicher Anpassungsfähigkeit zu entwickeln – einerseits etwa durch die Beobachtung von Wachstumsprozessen der Natur und andererseits durch die Nutzung neuer Möglichkeiten der parametrischen Architekturplanung.
D. RELATION
Modularität tritt in historischen Arbeiten der 1960er-1990er Jahre vor allem als visuelle Methode auf – eine Idee mit fast unendlichen Möglichkeiten, um Oberflächen, fotografische Bildwelten und industriell hergestelltes Material miteinander zu verbinden. Die visionären oder sogar utopischen modularen Konzepte haben eines gemeinsam: Man setzt auf Kontraste, häufig wird die kleinste mit der grössten Einheit eines Systems verbunden. Das Wiederholen der kleinsten Einheit im Grossen und umgekehrt lässt den modularen Gedanken grenzenlos erscheinen. Die erstaunliche Kombinierbarkeit und Unabgeschlossenheit von Modularität geht nun weit über eine moderne Auffassung von Gestaltung hinaus. Design und Architektur setzen sich mit einer gerade entstehenden Technologie der elektronischen Kommunikation auseinander. Dies lässt sich in utopischen Architekturentwürfen, ironischen Einrichtungsvorschlägen und nicht zuletzt in der Werbung jener Zeit wieder entdecken.
Alle Publikationen wurden von Atlas Studio, Zürich, gestaltet.
Gruppenausstellung mit
Werken von Volker Albus, Archigram, Yona Friedman, Fritz Haller, Trix & Robert Haussmann, Hans Hollein, Nathalie du Pasquier, Ettore Sottsass, Superstudio, Matteo Thun
sowie Projekten der USM masterclasses unter der Leitung von: Dimitri Bähler (ECAL – Ecole cantonale d’art de Lausanne), Lorenzo Bini (Politecnico di Milano), BLESS (Hochschule für Gestaltung Karlsruhe), Go Hasegawa (Tokyo Institute of Technology), Thomas Lommée (ENSCI les Ateliers, Paris), Wolf Mangelsdorf (Architectural Association School of Architecture, London), Allan Wexler (Parsons The New School for Design, New York City)
und folgenden USM Masterclass Teilnehmern: Sylvain Aebischer, Joelle Aeschlimann, Manuel Amaral Netto, Marie Douel, Valentine Dubois, Sarha Duquesne, Christophe Guberan, Linn Kandel, Yann Mathys, Mathieu Rivier, Pauline Saglio, Alice Colombo, Maria Elena Garzoni, Elisa Mansutti, Ludovica Niero, Anna Pierotello, Eugenio Pizzo, Christina Becker, Denis Bulut, Lisa Ertel, Pia Mareike Matthes, Marlene Oeken, Philipp Scholz, Martha Schwindling, Sonja Rogova, Shun Hayasaka, Shunpei Ichikawa, Sho Kurokawa, Yuto Makishima, Tomoya Nishimura, Yuki Nobukawa, Saori Toyoshima, Maud Bausier, Florian Bédé, Sylvain Chassériaux, Céline Coq, Antoine Giret, Celia Torvisco, Maxime Loiseau, Fanny Muller, Alexandre d’Orsetti, Fanny Serouart, Zeynep Aksoz, Joe Allberry, Amritha Krishnan, Lucas Mory, Nikul Vadgama, Daniel Zaldivar, Zachary Barr, Benjamin Billick, Kelsey Coyle, Elmar Fujita, Miriam Josi, Michael David Lee, Molly Page, Stella Lee Prowse
Co-kuratiert mit Tido von Oppeln
Ausstellungsort: Salone dei Tessuti, Via San Gregorio 29, 20124 Milano