Dietrich Roeschmann, erschienen in: regioartline.org, 17.9.2008
Im Eingangsbereich des Kunsthauses Baselland steht neuerdings ein Ofen. Das altertümliche Gerät wirkt ein wenig deplatziert in dem kühl ausgeleuchteten Foyer. Ein Requisit der Gemütlichkeit aus vergangenen Tagen aber natürlich ist er nicht in Betrieb. Schließlich ist draußen noch
Sommer. Und eigentlich ist dieser Ofen auch kein Ofen, sondern eine Art Tor zur Unendlichkeit, installiert von dem jungen Konzeptkünstler Friedrich Kunath. Das Ofenrohr, das dahinter ins Mauerwerk sticht, tritt im Nebenraum wieder aus der Wand, mäandert dort in unzähligen Kurven und Winkeln als schwebende Skulptur durch den White Cube und verschwindet am Ende neben etner großformatigen Zeichung unter dem Putz, auf der ein
unüberschaubares mathematsches Formelgewirr unter dem Strich Null
ergibt.
Hinter der Wand beginnt die Ewigkeit
Kunaths Installation ist etn schöner Einstieg in das Thema, das Kunsthausdirektorin Sabine Schaschl und der freie Kurator Burkhard Meltzer mit der Ausstellung „Eternal Flame“ in ihrer Auswahl von rund eineinhalb Dutzend Arbeiten internationaler Künstlerinnen einkreisen. Es geht um das Versprechen der Ewigkeit, oder genauer um die Frage, ob das Unendliche, wenn schon nicht vorstellbar, so doch wenigstens möglich ist? Das bloße Abschreiten von Kunaths ausufernder Arbeit dauert Minuten und macht spürbar., dass unsere Erfahrung in Raum und Zeit gefangen ist. Erst dort, wo das Ofenrohr wieder in der Wand verschwindet, beginnt die Ewigkeit. Als Gleichzeitgkeit von Allem und Nichts, von Unzeitlichkeit und absoluter Gegenwart.
Auf eindrucksvoll einfache Weise markiert diese Grenze auch Kris Martins Arbeit „The End“ gleich nebenan. Ihr Titel prangt spiegelverkehrt in geschwungenen Lettern auf einem wandfüllenden Spiegel. Stehen wir vor diesem eingefrorenen Abspann, sehen wir uns selbst und beginnen unweigerlich unsere Position zu orten. Bewegen wir uns vor oder in diesem
imaginären Film? Sind wir Zuschauerin oder Protagontin? Und ist die Gegenwart, die wir hier zu sehen glauben, nicht eigentlich immer schon
Geschichte, wie die Phrase „The End“, in der wir uns spiegeln ein und die sich mit uns spiegelt, nahelegt?
Rewind – Fast forward: Die Moderne im Rückspiegel
Dieses Oszillieren zwischen den Polen Raum und Zeit, Augenblick und
Unendlichkeit, Wirklichkeit und Imagination macht „The Eternal Flame“ zu
einer überaus spannenden Forschungsreise durch die Möglichkeitsräume, die Kunst seit Beginn der Moderne zurn Thema eröffnet. Wenn Claudia
Wieser etwa auf alten Buchdrucken von Gebirgslandschaften geometrische Muster in Blattsilber aufträgt, knüpft sie damit mehr nur an den alten Traum an, dem Rätsel der Natur auf der Ebene der ästhetischen Ordnung
beizukommen, sondern spannt zugleich den Bogen zu modernistischen
Utopien, in denen Kunst und Wirklichkelt sich gegenseitig so lange
überschreiben, bis sie am Ende vollständig ineinander aufgehen.
Auf ähnliche Weise spiegeln auch Edit Oderbolz oder Eva Berendes
Augenblick und Erinnerung aufernander. Während Oderbolz weiße
Spanplattenreste zu abstrakten Kompositionen hinter Glas arrangiert, die
zugleich den gegenwärtigen und den kunsthistorischen Raum reflektieren, gestattet die transparente Vorhanginstallation von Eva Berendes allein einen
durch die Formalismen der Moderne gefilterten Blick auf die Gegenwart.
Lärmende Stille
In schönem Kontrast dazu stehen Arbeiten wie Fabian Martis großformatige Scans von Kristallen und anderen Gegenständen, hinter denen sich der Raum in schwarzen Löchern zusammenzieht, oder der 16·mm-Weltraum-
Loop des New Yorkers Jordan Wolfson. Unablässig scheint die Kamera hier in das Meer der Sterne einzutauchen Der Lärm, den der altmodische Projektor veranstaltet, um diese Bilder auf die Wand zu bringen, steht in
groteskem Widerspruch zu der grenzenlosen Stille, die wir hier erwarten. Aber das ist durchaus beabsichtigt. Tatsächlich sehen wir hier nämlich keine
Reise durch das All, sondern die 16 mm-Kopie des populären Bildschirmschoners „Starfield“, der in den 1980er Jahren die User am Rechner in einen seltsamen Taumel des Glücks versetzte. Dass die Bilder,
die wir uns von der Unendlichkeit machen, zwangsläufig an der Überschaubarkeit unserer Möglichkeiten scheitern, ändert nichts an den Versprechen, die sie für uns bereit halten. Und gerade das macht ihren
unwiderstehlichen Reiz aus: die bloße Schönheit der Idee.
Wie Steve van den Bosch in seiner Videornstallation „Pretending to look
elsewhere in exhibition venues, NYC“ zeigt. sind die Wände des white cube
dafür ebenso ideale wie streng geschützte Projektionsfläche. Immer wieder
wurde dem 33-jährigen Holländer von den Galerien verboten, während
laufender Ausstellungen die weißen Wände abzufilmen – als würden sie dadurch blind werden für das, was hinter ihnen liegt. Eine Ahnung davon, wie diesseitig die Idee der Ewigkeit erst und wie sehr sie unserer jeweiligen kulturellen Prägung unterliegt, gibt schließlich Shirana Shabazi mit einer tollen großformatigen Wand-Installation: Fotografien von Blumen, Wasser, einem Stein, einer Landschaft in Schwarz-Weiss, einer Stadt aus Google Earth-Perspektive. In der modellhaften Vereinzelung der Motive wirken sie wie ausgestopfte Präparate unserer Vorstellungen von Vergänglichkeit und Überzeitlichkeit und spannen zugleich ein dichtes Netz an kunst- und kulturhistorischen Referenzen.