Innerhalb der Diskussion über männliche Geschlechterrollen in der Kunst ist es den Organisatoren von The John Institute ein wichtiges Anliegen, die theatralische, soziale Rolle des Dandys zu befragen. Gibt es die Stilfigur des Dandys überhaupt noch? Der Kunsthistoriker Beat Wyss bezweifelt dies schon seit längerem. In einer Gesellschaft, deren einzige Konvention die des Konsumierens zu sein scheint, hat der Dandy, wie man ihn als Stilfigur aus dem Fin de Siècle kennt, seine Existenzgrundlage verloren: das kokette Spiel mit den strengen Codices der High Society und deren Aneignung ohne finanziellen Mittel. Während der Dandy in dieser Zeit – in Romanen wie Joris-Karl Huysmans „Gegen den Strich“ oder Jules Barbey d’Aurevilly „Über das Dandytum“ – zu einem bekannten Rollenmodell eines elitären männlichen Stils vornehmlich im Bereich der Literatur avancierte, könnte seine Neuauflage viel eher im Feld der Zeitgenössischen Kunst vermutet werden. Der heutige Künstler vollzieht oft einen akrobatischen Balanceakt zwischen unterbezahlter „Kreativarbeit“ und dem Edelchic des globalen Kunstbooms. So gesehen wäre die Figur des Dandys ein ständig neu erfundener kultureller Habitus, der jeweils in neuem Aufzug in Erscheinung tritt.
Nach einem Jahrhundert Popgeschichte und Emanzipation kann das Verhältnis des einst bürgerlichen Dandys zur Figur der Diva nicht ausser Acht gelassen werden. Ist die Rolle der Diva etwa eine erfolgreiche, extrovertierte und nicht zuletzt weiblich konnotierte Variante des Dandys oder umgekehrt, oder sind gerade die geschlechtsspezifischen Eigenschaften konstitutiv für diesen Typus? Die Organisatoren haben als Veranstaltungsort den Pavillon des Platzspitz-Parks in Zürich ausgewählt. Der ehemalige Musikpavillon – ein Überbleibsel der Schweizerischen Landesausstellung 1883 in Zürich und beliebter historischer Treffpunkt – kann als idealer Ort für die Verknüpfung der Dandy-Debatte mit der Auseinandersetzung zeitgenössischer Künstler um heutige Rollenmodelle einer kulturell geprägten Stilfigur gelten. Die Arbeit des The John Institute fördert dabei bewusst das Entstehen experimenteller Präsentationsformate, die in einem öffentlichen Park auch verschiedene Publikumsschichten erreichen können. In der langfristigen thematischen Auseinandersetzung des Instituts sind Künstler/innen und Wissenschaftler/innen aus verschiedenen Ländern und Generationen beteiligt. An einem Nachmittag und einem Abend fanden im und unmittelbar um den Pavillon im Platzspitz-Park herum verschiedene Aufführungsformate und Gespräche statt.
- 17:00 Uhr Öffentliches Picknick im Park mit Musik von Johann von Preussen
- 19:00 Uhr Beat Wyss und Elisabeth Bronfen im Gespräch: Diva&Dandy. Der Kunsthistoriker und Medientheoretiker Beat Wyss und die Kultur- und Filmwissenschaftlerin Elisabeth Bronfen werden sich zum Afternoon-Tea auf die Suche nach dem zeitgenössischen Dandy begeben. Gibt es die Stilfigur des Dandys überhaupt noch? Ist die Rolle der Diva etwa eine erfolgreiche, extrovertierte und nicht zuletzt weiblich konnotierte Variante des Dandys?
- 21:15 Uhr Judy Garland: A Biography von Christodoulos Panayiotou. In einer Art Auftakt zu einer Kinovorführung werden zwei Versionen des Songs Somewhere over the Rainbow von Judy Garland parallel abgespielt. Eine stammt aus ihrem ersten prominenten Auftritt im Film The Wizard of Oz, die zweite aus der Zeit kurz vor ihrem Tod, in der sie sich von Hepatitis geplagt, mit Schmerzmitteln am Leben hielt. Als Showstar mit einer krisen- und konfliktreichen Karriere und als Ikone der Schwulenbewegung inszeniert Panayotou Garland’s Position zwischen Weltruhm und Verweigerung in wehmütiger aber auch heroischer Weise und trifft damit auch ein wesentliche Eigenschaft im Wesen des Dandys: der Drang nach Öffentlichkeit gepaart mit Eigenwille und Kompromisslosigkeit.
- 21:30 Uhr Filmscreening: Gregory Markopoulos, Through a Lens Brightly: Mark Turbyfill, 1967, 16mm, Farbe, Ton, 15min. Political Portraits, 1969, 16mm, Farbe, Auszug mit Ulrich Herzog, Rudolph Nureyev, Marcia Haydée und Giorgio de Chirico, 15min, Courtesy Temenos Archive. Gregory Markopoulos` (1928-92) experimentelle Filme erneuerten in den 60er und 70er Jahren die Filmsprache der Experimentalfilmszene in den USA. Die Präsentation wird ausgewählte Filmportraits von Persönlichkeiten der Kulturszene wie z.B. Gilbert & George, Alberto Moravia, Giorgio di Chirico oder Rudolph Nureyev in ihrer Selbstinszenierung mit persönlichen Gegenständen oder Handlungen zeigen, die Markopoulos mit seiner 16mm-Kamera von Ende der 60er bis Mitte der 70er Jahre aufgenommen hat. In einer speziellen Schnitttechnik wurden die Filme noch in der Kamera editiert und einzelne Bilder collagenartig zusammengesetzt. Die Filmvorführung im Aussenraum knüpft an die TENEMOS Filmvorführungen von Gregory Markopoulos und Robert Beavers an, wo seit Anfang der 80er Jahre alle Filme von Markopoulos nur noch unter freiem Himmel auf einem von ihm speziell dafür ausgewählten Stück Land in Griechenland gezeigt wurden.
- 22:00 Uhr: A John’s Tale von Silvie Zürcher, Lecture-Performance, 2009. In einer eigens für die Veranstaltung produzierten Lecture-Performance inszeniert die Künstlerin mit jungen Schauspielern Versatzstücke von Dialogen aus der amerikanischen Unterhaltungsindustrie. Sei es aus Filmen oder Musik, ein prominenter Satz aus einem Steve McQueen-Film oder der Slang einer Hip-Hop- Line, die von Silvie Zürcher gesammelten Sprachfragmenten stammen alle aus den Zusammenhängen einer männlich-konnotierten Heldenpose und werden in A John’s Tale zu einem babylonischen Sprachgewirr anwachsen. Die Frage, ob heute eine weibliche Künstlerin, ungeachtet des männlichen Blicks, sich in ihrer Rolle autonom, anarchisch, dandyhaft bewegen kann, will Zürcher mit einem Ja beantwortet haben: Zum Schluss der Aufführung tritt sie nach den Schauspielern als Agierende, Dirigierende selbst auf die Bühne.
Beiträge von Elisabeth Bronfen, Beat Wyss, Christodoulos Panayiotou, Gregory Markopoulos, Silvie Zürcher
Co-kuratiert mit The John Institute
Veranstaltungsort: Pavillon im Platzspitz-Park, Zürich