Die Auseinandersetzung mit männlichen Rollenmodellen ist in der zeitgenössischen Kunst bis auf wenige Ausnahmen kaum in thematischen Gruppenausstellungen zu finden – obwohl männliche Positionen und die Darstellung von Männlichkeiten dominant vertreten sind. Grundsätzlich fehlt eine breite Diskussion darüber, welche Möglichkeiten sich für männliche Rollenbilder heute überhaupt eröffnen. The John Institute (Jean Claude Freymond-Guth, Burkhard Meltzer, Michael Hiltbrunner (2007-2009), Pascal Häusermann (2009-2012) hat sich in Ausstellungen und Veranstaltungen mit männlichen Rollenbildern auseinandergesetzt (2007-2012).
Die Gründungsausstellung des Institutes, Role Model, zeigt eine Auseinandersetzung mit verschiedenen künstlerischen Positionen, die sich mit männlichen Rollenmodellen und männlichen Vorbildern auseinandersetzen. Diese werden zum einen vorgeführt, teilweise gefestigt, teilweise in Frage gestellt, demontiert oder verändert. Das können „machoide“ Stereotypen wie der „Rapper“ sein, der „Superheld“, der „Erfolgstyp“, der „männliche Mann“ oder der „Nerd“, der eher neutral konnotierte „sanfte Mann“, der „weibliche Mann“ oder die Idee des „gebärenden Mannes“ und der damit verbundenen Postulierung der Auflösung natürlicher Überlegenheit des Mannes über die Frau.
Dani Gal geht dem Einsatz von Sprache, Bild und deren politischen, sozio- kulturellen und historischen Prägung nach. Zentrale Themen sind dabei politischer Protest, Rapkultur oder Feminismus. Gals Werke zeigen durch ihre präzise Inszenierung wie Inhalte, Zugehörigkeiten und Wahrheit kodiert, relativ und manipulierbar sind. Durch visuelle Gegenüberstellungen und Arrangements von unterschiedlichen historischen Ton- und Filmelementen mit eigenem Material werden neue und erweiterte Bedeutungen deren ersichtlich und mitunter auch auf ihre Subjektivität untersucht. Sein Video Blind Fury, 2005 ist Teil der 3-teiligen Video Arbeit Keep it real, die Dani Gal in New York gedreht hat. Sie handelt von der sprachlichen und visuellen Kodierung innerhalb der Rap-Kultur und ist zugleich Portrait von Protagonisten der Harlemer Rap Szene. Blind Fury zeigt den blinden Rapper Stephan Morris aka Blind Fury, der bei MTVs „Battle Rap Contest“ zu den Finalisten gehörte und gerade seine erste EP aufnimmt.
Julika Rudelius legt in ihrer zweikanaligen Videoinstallation die Funktionsweise gesellschaftlicher Strukturen von Status, Selbstdefinition und materiellen Werten offen und erzählt über deren Stellenwert für das persönliche Gefühl von Erfolg und Glück. Die kulissenhafte Darstellung durch Sprache, Kleidung und Ort wird zur Projektionsfläche für die gesellschaftlichen Wünsche und Pläne der Protagonisten. Die Frage, was hier tatsächlich stattfindet und was als szenische Handlung zu betrachten ist, lässt Rudelius mit Ihrer Gratwanderung zwischen Dokument und Inszenierung bewusst offen. Für Economic Primacy, 2005 befragte die Künstlerin niederländische Geschäftsleute, die sich selbst als erfolgreich betrachten, mit einer ausgeklügelten Interviewtechnik: Die Fragen wurden den Protagonisten nicht direkt gestellt, sondern aus einem Nebenraum übertragen. Nur ein Teil des Gesprächs (die Antwort) ist dadurch zu hören und erscheint als monologischer Vortrag mit einigen Pausen.
Pascal Häusermann arbeitet mit Materialien und Techniken, die gemeinhin mit einem männlichen Künstlerbild in Verbindung gebracht werden: Stein, Schrift, Gravur, Skulptur. Dabei unterläuft er die martialischen Klischees männlich konnotierter Materialien und Statements mit der ironischen Aneignung von Werbemantras („We are designed to be different“) oder bekannter Marketing-Motive. In der Collagen-Serie Apokalyptische Körper, 2003 setzt Häusermann Körperfragmente zu fantastischen Wesen zusammen, die gleichzeitig Innen- und Aussenansichten gewähren. Das apokalyptische Trauma eines aus fremden, ja unbekannten Teilen bestehenden Körpers provoziert dabei eine beunruhigende Frage: Um welche Spezies handelt es sich eigentlich? Die grosse Ernüchterung, 2005 bringt dagegen eine Ikone männlichen Selbstbewusstseins in Verlegenheit: den Denker. Eine sitzende Figur verwaltet mit erschreckender Nüchternheit die Sprache des Pragmatismus: wir befinden uns ganz auf dem Boden der Tatsachen, ernüchtert und enthauptet.
Gruppenausstellung mit David Blandy, Dani Gal, Simone Gilges, Nicolas Guagnini & Jeff Preiss, Pascal Häusermann, Walter Pfeiffer, Julika Rudelius, Ed Young, Silvie Zürcher
Co-kuratiert mit The John Institute
Ausstellungsort: Kunstraum Perla-Mode/Freymond-Guth Fine Arts, Langstrasse 85, CH-8004 Zürich